Von Richard Meyer zu Eissen, studiert European Studies in Maastricht und Warschau, Praktikant bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut

Ein elitärer Kreis von 507 auserwählten Leuten tagt von Zeit zu Zeit in einer veralteten Institution, überkommen aus Nachkriegsdeutschland. Der Kreis profitiert von dieser Institution sowohl finanziell, als auch dadurch, dass er auf gesellschaftliche Diskurse und Entwicklungen Einfluss nehmen kann. Er ist gesetzlich legitimiert und niemandem Rechenschaft schuldig. Willkommen bei den Rundfunkräten!

Der Deutsche Rundfunk ist auf Grund seiner Historie stark belastet. So ist er während des Dritten Reiches zu Propagandazwecken benutzt worden und war mithin eine sehr wichtige Stütze des NS-Regimes. Um diesem starken Missbrauch vorzubeugen, haben die Besatzungsmächte die Rundfunkräte für die jeweiligen Öffentlich-Rechtlichen eingeführt, um eine demokratische Kontrolle bei gleichzeitiger Staatsferne im deutschen Radio und Fernsehen zu garantieren. Damals mussten die Öffentlich-Rechtlichen aufgrund des technischen Aufwands Konkurrenz kaum fürchten. Dadurch wurde den Rundfunkräten eine durchaus ernstzunehmende und wichtige Rolle zuteil. Doch in Zeiten einer mittlerweile komplett veränderten Medienlandschaft, in der es seit 1983 auch privaten Sendern gestattet ist zu senden, und spätestens seitdem das Internet für viele das Nachrichtenmedium Nummer 1 geworden ist, sind die Räte als Repräsentanten der öffentlichen Meinung obsolet geworden.

Ehrensache?

Um ein vielfältiges Meinungsspektrum in den Öffentlich-Rechtlichen widerzuspiegeln, hat jeder der elf Sender seinen eigenen Rundfunkrat bekommen. Während der Intendant für das operative Geschäft zuständig ist und das Programm bestimmt, ist der Verwaltungsrat beauftragt, die Geschäftsführung zu überwachen. Der Rundfunkrat wiederum, der je nach Satzung für 3 bis 7 Jahre gewählt wird, hat die Aufgabe, die Interessen der gesamten Gesellschaft zu vertreten. Seine Arbeit ist also ein Ehrenamt. Diese Ehre ist freilich durchaus lukrativ. Im Fall des WDR-Rundfunkrats etwa wird jedem der 49 Mitglieder eine monatliche Aufwandsentschädigung von mindestens 1050 Euro bis höchstens 3070 Euro gewährt, je nach Funktion innerhalb des Organs. Der Vorsitzende des Rundfunkrates wird also Jahr für Jahr mit über 36.000 Euro entschädigt. Auch die 49 stellvertretenden Mitglieder erhalten monatlich 485 Euro für Ihren Aufwand. In den Statistiken über ehrenamtliches Engagement in Deutschland werden die 507 Rundfunkräte und ihre 507 Stellvertreter wohl nicht besonders ins Gewicht fallen. Ihren Aufwand würden freilich nicht wenige Beitragszahler bereitwillig auf sich nehmen …

Prinzipiell sieht die Struktur jedes Rates vor, dass die Entsandten verschiedene Interessengruppen vertreten. Somit sind politische Parteien, Kirchen, Arbeitnehmer und Arbeitgeberverbände, Naturschutzverbände und viele andere indirekt in die Lage versetzt, für ihre Seilschaft zu werben. Mit dem „Wort zum Sonntag“ oder einem kritischen Bericht zu den ökologischen Folgen der Elbvertiefung, können gerne mal mehrere Millionen Menschen erreicht werden. Für eine Interessenvertretung ist es somit ein durchaus effektives Medium. Wieso sollte jemand innerhalb des Rates ernsthaft Stimmung gegen das Programm oder die Struktur des Senders machen? Schließlich will der Vertreter vom Bund der Vertriebenen genauso seine Themen im Rundfunk wiederfinden, wie die evangelische Frauenbeauftragte aus dem Saarland: “Vertretung der Allgemeinheit“? Fehlanzeige. Wohl eher ein geschickt austariertes Konglomerat von lauer Spezialinteressen.

Repräsentation sieht anders aus

Apropos: Wie vertreten denn die elf Rundfunkräte die Interessen der Allgemeinheit? Letztlich können sie ja auch keinen direkten Einfluss auf das Programm nehmen, da dies ausschließlich dem Intendanten vorbehalten ist. Ausweichlich des Tätigkeitsberichts des WDR von 2013/2014 fungiert der Rundfunkrat maßgeblich als Berufungsinstanz, wenn ernstzunehmende Zweifel bestehen ob eine Sendung den Grundsätzen des Senders widerspricht. Laut dem Bericht kam dies in den gesamten zwei Jahren ganze 17 Mal vor – also zwei Mal alle drei Monate. Von diesen 17 Programmbeschwerden hat der Rat per Mehrheitsvotum jedoch jede einzelne abgelehnt. Kein Wunder eigentlich, sind die Gegenstände der Klagen doch meist sehr subjektiv (journalistische Sorgfalt, journalistische Fairness, Sachlichkeit…), und lassen sich kaum eindeutig und abschließend beurteilen. Die restliche Arbeit wird in drei Ausschüssen erledigt. Diese beraten über das Programm, über Finanzplanungen oder zukünftige Veränderung des Senders durch das Internet. Wobei der Fokus auf Beraten liegt, da ihm keine direkte Entscheidungsgewalt obliegt.

Wofür leistet sich der Rundfunk das? Die rund 507 Mitglieder, die sich in Ihren jeweiligen Räten mit 6 Programmbeschwerden im Jahr beschäftigen und mittels Ausschussarbeit versuchen, hier und da ihre Interessen zu verewigen? Es ist teuer, die Allgemeinheit wird mitnichten repräsentiert und die jährliche Agenda gleicht eher einer Beschäftigungstherapie, und nicht der Arbeit eines Aufsichtsgremiums. In jedem Unternehmen würde man die Satzung gründlich überdenken. Warum die Räte nicht? Nun, schon allein die Vorstellung, dass hier demokratische Prinzipien walten gibt der Gesellschaft ein beruhigendes Gefühl. Wer hat schon etwas gegen demokratische Kontrolle? Doch diese Vorstellung täuscht und so wird die vermeintliche Demokratie zum Deckmantel der Räte. Ein Deckmantel unter dem man sich gut verstecken kann und der vor Kritik von außen schützt.

Unsere Daten- und Fakten-Analyse zu den Runfunkräten können Sie übrigens hier abrufen.

Photo: tiarescott from Flickr

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