Photo: Petras Gagilas from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Während in Talkshows und Kommentaren die Zunahme von Hate Speech und Fake News beklagt wird, kann die Sendung „Die Anstalt“ auf Kosten des Beitragszahlers ungehindert den Diskurs vergiften und wüste Verschwörungstheorien verbreiten.

„Die Mont-Pèlerin-Society ist die einflussreichste Denkfabrik unserer Republik“

Wer sich die angebliche Kabarettsendung „Die Anstalt“ einmal angesehen hat, wird ziemlich schnell festgestellt haben: Der „Humor“ ist subtil wie ein Nilpferd, raffiniert wie eine Portion Pommes mit Ketchup und geistreich wie eine Betonmischmaschine. Besonders zeichnet sich die Sendung aus durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Da werden geheime Netzwerke aufgedeckt und der furchterregende Masterplan der NATO zur Bekämpfung Russlands enthüllt. Von den Veröffentlichungen des Kopp-Verlages oder den „Einsichten“ eines Alex Jones unterscheidet sich „Die Anstalt“ hauptsächlich durch ein anderes politisches Vorzeichen und den Verzicht auf die Prise Esoterik. Eines der liebsten Objekte linker Verschwörungstheoretiker ist gerade 70 Jahre alt geworden: die Mont-Pèlerin-Society. Ein guter Anlass für die „Kabarettisten“, sich einmal wieder der alles beherrschenden Ideologie des Neoliberalismus zu widmen.

Um die furchteinflößenden Verstrickungen auch anschaulich darstellen zu können, hat der ZDF-Praktikant das Verzeichnis des Atlas Network ausgedruckt, das liberale Think Tanks weltweit vernetzt. Die Blätter wurden auf eine bedrohlich aussehende Grafik mit dutzenden Querverbindungen aufgeklebt und dann konnte es losgehen, denn: „Die Mont-Pèlerin-Society ist die einflussreichste Denkfabrik unserer Republik“. Dreizehn Minuten lang wird dann unter vielen Ahs und Ohs dargelegt, welchen sinisteren Plan diese Leute verfolgen um ihre Agenda aus „Privatisierungen, Steuersenkungen und Sozialstaatsabbau“ in der ganzen Welt durchzusetzen. Da fallen Sätze, die vordergründig ironisch präsentiert werden, aber beim Zuschauer durchaus ohne den Unterton hängen bleiben können: „Der Kapitalismus ist schuld an Faschismus und Krieg“. Es ist eine einfache Masche: Man transportiert die Botschaften als Kabarett und ist damit aus dem Schneider. So zog sich einer der beiden Macher, Max Uthoff, auch aus der Affäre als Kritik an seiner Verteidigung von Putin laut wurde.

Fake news sind immer die anderen

Klar ist, wie dafür bezahlt wird, dass die ganze Welt zum Opfer des Neoliberalismus werden kann: durch „das Geld der Rockefeller Foundation, der Credit Suisse und der Bank of England“ und indem Milliardäre Lehrstühle sponsern und ganze Fakultäten übernehmen. Das klingt wie aus dem Drehbuch von Victor Orban, und der kundige Leser darf sich ein wenig wundern, dass gar kein jüdischer Name gefallen ist. Apropos Juden: Wer natürlich nicht fehlen darf, ist Milton Friedman, dessen Schüler den „Cowboydarsteller“ Ronald Reagan steuerten. Er und seine „Chicago Boys“ hätten die Pinochet-Diktatur in Chile als „Labor für ihre Experimente“ benutzt. Als Lohn habe es für Friedman den Nobelpreis gegeben, der ihm nur verliehen worden sei, weil ein Mitglied der Mont-Pèlerin-Society im Auswahlkomitee gesessen habe. Ein Blick auf die Seite des Nobelpreiskomitees hätte genügt, um festzustellen, dass das blanker Unsinn ist. Ebenso wie die Behauptung, der „Brillenzombie“ James Buchanan habe ihn für die Schuldenbremse bekommen. – Aber klar, „fake news“ ist es immer nur dann, wenn die politischen Gegner Unwahrheiten verbreiten.

Wo wir gerade bei „fake news“ sind: Auch die Behauptung, Charles Koch habe Trump finanziert, ist nicht nur falsch – das Gegenteil ist richtig. Ebenso wenig ist es zutreffend, dass Gerhard Schröder den Sozialstaat „geschleift“ habe. Wer sich etwa die Sozialleistungsquote ansieht, kann feststellen, dass sich die Quote, die sich aus dem Anteil der Sozialleistungen am BIP errechnet, zwischen dem ersten Haushaltsjahr der rot-grünen Koalition 2000 mit 28,8 % und dem letzten 2006 mit 27,8 % kaum verändert hat – und seitdem auch wieder gestiegen ist auf inzwischen 29,3 %. Bei steigendem BIP, wohlgemerkt. Schleifen sieht anders aus … Doch nicht nur Falschmeldungen, Suggestivfragen und Insinuationen durchziehen die Sendung. Auch der Tonfall und die Terminologie überschreiten bisweilen die Grenzen dessen, was man als „hate speech“ bezeichnen könnte. Würden die Macher der Anstalt solche Ausdrücke verwenden und politisch rechts stehen, wäre (zurecht) die Hölle los … Dem Zuschauer wird suggeriert, dass es sich bei Neoliberalen um eine geheimnisvolle Clique von profitgierigen alten Männern handelt, die Millionen aus „der Wirtschaft“ abschöpfen, um eine menschenfeindliche Agenda durchzusetzen. Oder mit den Worten von Max Uthoff: „Privatisierung bedeutet Geschäfte mit bettlägerigen Patienten, Steuersenkungen bedeutet kein Geld für Schulen und Sozialstaatsabbau bedeutet mehr arme Kinder und Rentner.“

Die Öffentlichen handeln erschreckend verantwortungslos

Hier wird mit Ängsten gearbeitet und mit Ressentiments. Hier wird Hass gesät und die Polarisierung der Gesellschaft vorangetrieben. Hier wird das Mistbeet ausgelegt für rechte und linke Populisten, die sich auf solche einfachen Wahrheiten beziehen. Diese Diskursvergiftung als Kabarett zu tarnen, ist geradezu grotesk. Wir haben es hier vielmehr mit einer nur notdürftig getarnten Variante von „hate speech“ zu tun – denn hier wird nicht etwa inhaltlich kritisiert, sondern ad hominem Hass geschürt. Während die einen die Gefahr einer Islamisierung beschwören, wird hier das Schreckgespenst des Neoliberalismus an die Wand gemalt. Während die einen davor warnen, dass unsere Frauen den Ausländern hilflos ausgeliefert sind, wird hier die Ausbeutung von Rentnern angekündigt. Unterstellt werden natürlich böse Motive und finstere Methoden. Dass es Menschen wie den in der Sendung geradezu angeprangerten Wissenschaftlern Hayek, Friedman, Schlecht, Giersch und Buchanan vielleicht auch um Frieden, die Behebung von Armut und die Vergrößerung individueller Freiheit gegangen sein könnte, wird nicht einmal in Erwägung gezogen. Nein, wer den Neoliberalismus vertritt, muss nur daran interessiert sein, die Reichen reicher zu machen – auf Kosten der Armen. Die Macher der Anstalt sollten sich nicht wundern über gesellschaftliche Spaltung, denn sie tragen selber gehörig dazu bei.

Hat eine solche Sendung Platz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Ist das Teil des Bildungsauftrags? Oder etwas anders formuliert: Ist es rechtmäßig, wenn Millionen ausgegeben werden, um ein Format zu fördern, in dem falsche Behauptungen aufgestellt und gesellschaftliche Gruppierungen gegeneinander aufgehetzt werden? Die Gehälter der „Kabarettisten“ (die vermutlich die Einkünfte der von ihnen angegriffenen Neoliberalen um einiges übersteigen) werden übrigens bezahlt von Friseusen und Kassierern, von Bauarbeitern und Studentinnen. Darf man deren hart verdientes und oft nicht freiwillig abgegebenes Geld dafür verwenden, um ein paar besserverdienenden Intellektuellen eine Spielwiese für gesellschaftliche Spaltung zu finanzieren? Die USA und Großbritannien können als mahnende Beispiele dafür dienen, was passiert, wenn eine Gesellschaft ihre Diskursfähigkeit verliert; wenn man nicht mehr miteinander redet, sondern nur noch übereinander schimpft. Diesen Prozess im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch noch zu finanzieren und zu sanktionieren, ist erschreckend verantwortungslos.

Anmerkung: „Die Anstalt“ bietet auch einen Faktencheck zu ihren Sendungen an unter https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/fakten-im-check-der-anstalt-118.html. Leider steht unter dem Teil zur Mont-Pèlerin-Society nur, dass in Kürze ein Faktencheck veröffentlicht werde.