Von Prof. Dr. Justus Haucap und Dr. Christiane Kehder

Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollte es ursprünglich einmal sein, die Grundversorgung der Bevölkerung mit einem gesellschaftlich gewünschten Rundfunkangebot sicherzustellen, wenn der Markt dies nicht allein erbringen kann. Gemeint ist ein für die Allgemeinheit geeignetes Bildungs- und Informationsangebot im Bereich Politik, Kunst und Kultur, um einen Pluralismus der Meinungen im Fernsehen zu gewährleisten, kulturelle Vielfalt zu fördern und die Teilnahme aller Bevölkerungsgruppen an der gesellschaftlichen Kommunikation und Meinungsbildung sicherzustellen.

Diese Logik stammt im Wesentlichen aus den Urzeiten des Fernsehens, als es nur einen, dann zwei oder auch drei Sender gab. Weil die Frequenzen knapp waren, konnte es – technologisch bedingt – nur wenige Sender geben. Die Befürchtung, dass es hier zu einem Meinungsmonopol oder starker Meinungsmacht hätte kommen können, ist sicher nicht unberechtigt. Nur ist die Situation heute eine völlig andere.

Neue technologische Möglichkeiten stellen heute ein äußerst umfangreiches Programmangebot bereit mit etwa 400 TV-Programmen in Deutschland, zahlreichen Video-on-Demand-Angeboten und neuen Kommunikationskanälen. Diese Angebotspalette sorgt für eine Meinungsvielfalt, die insbesondere durch das Internet ein zuvor nicht dagewesenes Ausmaß erreicht. Zugleich ändert sich das Mediennutzungsverhalten rapide: Das Internet und dortige Kommunikationskanäle werden für die Meinungsbildung immer wichtiger, das Fernsehen tendenziell unwichtiger. An einer Vielfalt von Programmen und Meinungen mangelt es, gerade im Internet, nun wahrlich nicht.

Paradoxerweise hat das weitgehende Verschwinden des früher womöglich einmal drohenden Marktversagens jedoch nicht zu einer Rückführung öffentlich-rechtlicher Programmangebote geführt, sondern – ganz im Gegenteil – zu einer noch weiteren Expansion und aktiven Verdrängung privater Inhalte, insbesondere im Internet. Die öffentlich-rechtlichen Sender expandieren geradezu mit dem Ziel, private Angebote zu verdrängen. Das ist ungefähr so, als ob man als Reaktion auf das Ende des Kalten Krieges eine vehemente Aufrüstung der Bundeswehr betrieben hätte.

Dass es heute nicht mehr darum geht, Marktversagen zu beseitigen und genau das anzubieten, was private nicht leisten, ist offensichtlich. Bundesligafußball könnte natürlich auch privat gesendet werden, ebenso wie viele Vorabendserien, Frühstücksendungen, etc. Für die Ausstrahlung der Bundesliga im Free-TV sorgt hier übrigens das Bundeskartellamt. Auch die Rechte an manchen in den USA populären Serien scheinen von den öffentlich-rechtlichen nur gekauft zu werden, damit private Sender diese eben nicht kaufen. Mit den nahezu unerschöpflichen Ressourcen aus unseren Zwangsabgaben wird der Markt leergekauft – so wie Bayern München immer wieder die besten Bundesliga-Spieler abwirbt, überbieten die öffentlich-rechtlichen Sender die privaten bei den Rechten an attraktiven Inhalten oder populären Moderatoren mit Traum-Gehältern. Und dieses aus dem Fernsehen lange bekannte Spiel, wird seit einiger Zeit auch ins Internet übertragen, um private Internetseiten möglichst klein zu halten. Welches Marktversagen so kuriert werden soll, ist schleierhaft.

Das Gegenteil ist der Fall: Nichts wäre für das öffentlich-rechtliche Fernsehen furchtbarer als ein hochqualitatives, populäres privates Angebot. Dieses wird mit prall gefüllten Kassen verhindert, jede Nische versucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu besetzen oder aber private zurückzudrängen.

Zugleich stemmen sich die öffentlich-rechtlichen Sender mit aller Kraft gegen einer Kontrolle ihres Geschäftsgebarens durch die Rechnungshöfe. Maximale Intransparenz ist das Motto, kaum Rechenschaft gegenüber dem Zwangsbeitragszahler. Das heutige Finanzierungsmodell, das im Wesentlichen auf einer Kostenerstattung beruht, setzt auch keinerlei Anreize für die Sendeanstalten, kosteneffizient zu wirtschaften. Die Sendeanstalten bestimmen ihren Finanzbedarf im Grunde weitgehend autonom. Damit wird ein sich selbst verstärkender Mechanismus geschaffen: Eine weitere Ausdehnung öffentlich-rechtlicher Angebote treibt die Beiträge in die Höhe, was wiederum erneut Anreize zu einer weiteren Ausdehnung setzt.

Interesant ist auch ein Blick auf die unterschiedlichen Zuschauerprofile öffentlich-rechtlicher und privater Sender, denn diese haben klare verteilungspolitische Implikationen. So profitieren vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, vereinfacht ausgedrückt, primär ältere und gebildete Westdeutsche. Da der Haushaltsbeitrag zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks pauschal entrichtet wird und nicht nutzungsabhängig anfällt, kommt es tendenziell zu einem impliziten Transfer mit regressiver Wirkung von (a) jüngeren, (b) weniger gebildeten Bürgerinnen und Bürger, die (c) in Ostdeutschland wohnen, an (d) ältere, (e) besser gebildete Bürgerinnen und Bürger, die im Westen leben. Letztere gehören typischerweise auch zu den einkommensstärkeren und vermögenden Teilen der Bevölkerung, erstere eher zu den einkommensschwächeren und weniger vermögenden Teilen. Einkommensschwächere Teile der Bevölkerung zahlen damit für eine Leistung in Relation zu ihrem Einkommen relativ mehr als der Teil der Bevölkerung, der diese Leistung primär konsumiert – der einkommensstärkere Teil der Bevölkerung. Grob ausgedrückt kommt es durch die aktuelle Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks somit implizit zu Transfers von Ost nach West, von jung zu alt und von arm zu reich.

Die Zeit ist mehr als reif für echte Reformen: Die im gegenwärtigen System bestehenden Fehlanreize müssen ebenso beseitigt werden wie der Digitalisierung Rechnung getragen werden muss. Im Grunde könnten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten weitgehend privatisiert werden. Wie aber können wir dann sicherzustellen, dass auch weiterhin ein gesellschaftlich bedeutsames Programmangebot (bspw. im Bereich des Bildungsfernsehens) erstellt und ausgestrahlt wird, wenn der Markt diese nicht erbringt? Hier kann eine finanzielle Förderung derartiger Inhalte nach klar definierten Kriterien erfolgen. Die Mittel für diese finanzielle Förderung könnten aus einem Fond kommen, der sich im Wesentlichen aus den Privatisierungserlösen speist.

Über die Förderungswürdigkeit von Programminhalten soll eine unabhängige Kommission entscheiden, die aus Repräsentanten der Zivilgesellschaft bestehen soll und nicht von aktiven Politikern dominiert werden darf. Zugleich sollte die Förderung durch wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren ermittelt werden, sodass Anreize für eine effiziente Produktion gesetzt werden. Eine solche Rundfunkordnung reflektiert die technologischen Entwicklungen und sorgt für ein weitgehend effizientes Angebot von Rundfunkinhalten. Und sie ist kein Hirngespinst: In Neuseeland funktioniert die Förderung in etwa nach diesem Prinzip: Programm- bzw. Sendungsförderung statt Senderförderung. Und sie ist erfolgreich. Mit einer Million Euro Steuermitteln erreichen die Neuseeländer im Durchschnitt über 160.000 Zuschauer pro Jahr. Wir hingegen erreichen mit einer Million Euro knapp über 4000 Zuschauer im Jahresdurchschnitt.

Photo: AndreasS from flickr

Erstmals erschienen bei der Huffington Post.

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